- Home
- Engel, Kathinka
Finde mich. - Jetzt Page 5
Finde mich. - Jetzt Read online
Page 5
»Literatur also«, sagt Zelda und nimmt das Thema von vorhin wieder auf. »Vielleicht haben wir ein paar Kurse zusammen. Ich war so unentschlossen, dass ich irgendwie von allem etwas belegt habe.«
»Das wäre schön«, sage ich. »Ich kenne hier so gut wie noch niemanden.«
Dann ist Zelda dran. Während ich warte, wähle ich noch einmal die Nummer meiner Eltern. Der Anrufbeantworter geht ran. »Hallo, Mom und Dad. Hier ist Tamsin. Ich wollte mich noch mal melden und euch sagen, dass es mir gut geht. Ich hoffe, ihr macht euch keine Sorgen. Ich melde mich bald wieder.«
Mein schlechtes Gewissen ist zwar immer noch da, aber mehr kann ich im Moment nicht tun.
Nach einigen Minuten kommt Zelda wieder heraus, und endlich bin ich an der Reihe.
Ich gebe meine Unterlagen inklusive Passbild bei der schlecht gelaunten Sekretärin ab, die sich von allem Kopien macht. Dann händigt sie mir einen Studentenausweis aus.
Als ich wieder rauskomme, wartet Zelda auf mich.
»Ich habe ganz vergessen, dich zu fragen, ob du Lust hast, mal was mit mir trinken zu gehen«, sagt sie.
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg nach draußen. Wir tauschen Nummern aus und verabreden uns für die erste Vorlesung, die wir tatsächlich gemeinsam haben.
Am Sonntag treffe ich mich mit Sam bei seinem Lieblingsitaliener. Ich finde ihn ohne Probleme. Da ich kein Auto habe, laufe ich die zwanzig Minuten in die Innenstadt. Ich kenne inzwischen den Weg. Ich gehe die Straße hoch bis zu einer größeren Kreuzung. Dort biege ich nach links ab und nach einigen Hundert Metern bin ich schon fast im Zentrum. Man merkt deutlich, wo das Leben in Pearley beginnt. Hier, in der Nähe der Universität, gibt es viele Studentenkneipen, aus denen Musik dringt. Die meisten der Häuser sind in Pastellfarben gestrichen. Gelb, Hellblau, Rosa, Minzgrün. Mit Blumen verzierte Laternen tauchen die Straße in ein warmes Licht. Auch die vielen Balkons im ersten Stock sind mit Blumenkästen geschmückt. Hier im Studentenviertel sind die Gebäude nur zwei bis vier Stockwerke hoch. Im Hintergrund kann man allerdings beleuchtete Hochhäuser erkennen.
Zwischen den Bars, auf deren bunten Leuchtschildern Namen wie Vertigo, Heat oder Shamrock prangen, befinden sich kleine Läden. Antiquariate stellen wertvolle Erstausgaben und sonstige Sammlerstücke aus. Goldprägungen glänzen im Schaufensterlicht. Buchhandlungen werben mit Studentenrabatten in den ersten Wochen des Trimesters. Mein Blick fällt auf die Empfehlungen der Mitarbeiter, die auf einer Staffelei aufgereiht sind. Es ist eine hübsche Auswahl an Neuerscheinungen und Klassikern. Ich gehe einen Umweg, um auch ein paar der Nebenstraßen zu erkunden, und entdecke einige Vintageläden. Auf jeden Fall muss ich hier tagsüber noch einmal herkommen, um all die wundervollen Geschäfte nacheinander zu durchkämmen.
Der Italiener, bei dem Sam einen Tisch reserviert hat, ist ebenfalls in einer Seitenstraße, in der sich auch ein kleines Theater befindet. Sie spielen gerade Shakespeares Der Sturm, wie ihre Schaukästen verraten.
Da Luigi sieht aus, wie man sich ein italienisches Restaurant vorstellt. Ich war zwar noch nie in Italien, aber die rot-weiß karierten Tischdecken, auf denen in leeren dunkelgrünen Weinflaschen Kerzen brennen, wecken sofort Fernweh in mir. Es läuft gedämpfte italienische Musik, und der Duft frisch gebackener Pizza steigt mir in die Nase. Mein Magen beginnt augenblicklich zu knurren.
Ich will gerade der Empfangsdame Sams Namen nennen, damit sie mich zu unserem Tisch führt, da sehe ich ihn schon aus der hinteren Ecke winken. Ich laufe auf ihn zu, und er steht auf. Mein Herz schlägt schnell, so doll freue ich mich, ihn zu sehen. Mir war bis eben gar nicht bewusst, wie sehr mir in den letzten Tagen ein vertrautes Gesicht gefehlt hat. Ich falle ihm um den Hals, und er drückt mich ganz fest an sich. Er riecht gut, nach seinem Parfüm und Sam. Wir haben uns seit den letzten Ferien nicht mehr gesehen. Er promoviert nicht nur in amerikanischer Literaturgeschichte, sondern gibt auch ein paar Kurse, sodass er nur in der vorlesungsfreien Zeit nach Rosedale kommen kann. Aber auch dann hat er oft so viel zu tun, dass er es nicht schafft.
Wir setzen uns und sagen dann gleichzeitig: »Wie schön, dass du da bist!« Ich muss lachen. Es ist immer etwas seltsam, wenn wir uns nach langer Zeit wiedersehen. Anfangs ist es, als müssten wir uns wieder neu kennenlernen oder zumindest einander versichern, dass wir uns noch mögen. Aber das gibt sich normalerweise nach ein paar Minuten. Etwas gehemmt greife ich über den Tisch nach seiner Hand und drücke sie leicht, um mich zu vergewissern, dass er wirklich da ist. Sein schönes Gesicht strahlt im Schein der Kerze. Er trägt seine braunen Haare jetzt etwas länger, sodass sie ihm in die Stirn fallen, was ihn verwegener aussehen lässt.
»Im Ernst, ich freue mich sehr, dass du da bist«, sagt er, und mir wird ganz warm vor Glück und Vertrautheit.
Wir vertiefen uns in unsere Speisekarten, und Sam bestellt schon mal eine Karaffe mit Wein. Eigentlich darf ich noch keinen Alkohol trinken, aber Sam zwinkert mir zu und sagt, ich sei jetzt Studentin, da wäre es geradezu verpflichtend, distinguiert an einem Glas Rotwein zu nippen, während man sich unterhält. Es ist auch nicht so, dass ich noch nie Alkohol getrunken hätte. Auf einigen Partys in Rosedale gab es billiges Bier. Einmal musste ich mich übergeben, seither bin ich etwas vorsichtiger.
Wir bestellen, und ich erzähle Sam von meiner Wohnung, meinem Matratzenkauf im Internet, dem ersten Eindruck vom Campus und meiner Vorfreude auf alles, was kommt. Er hört mir zu und wundert sich wahrscheinlich über meinen Redeschwall. Ich habe ein immenses Mitteilungsbedürfnis, da sich meine sozialen Kontakte in den letzten Tagen auf den mürrischen Kerl im Café, die Sekretärin an der Uni und die nette Bekanntschaft mit Zelda beschränkt haben.
»Okay, okay, das klingt ja alles sehr schön, Tams«, sagt Sam. »Aber kannst du mir noch mal genau erklären, warum du eigentlich hier bist? Wolltest du nicht mit Dominic zusammenziehen?«
Dominic. Beim Klang seines Namens verkrampft sich alles in mir. Aber natürlich, Sam kann ja nicht ahnen, was passiert ist. Er weiß noch nichts von meiner Horrorwoche.
»Mein Großvater ist gestorben«, sage ich.
»O nein, Tamsin, das tut mir leid«, erwidert Sam und klingt ehrlich traurig. Er und mein Großvater mochten sich. Ich glaube, mein Großvater hat sich immer gewünscht, dass aus uns beiden ein Paar wird. Aber diese Dinge kann man eben nicht erzwingen. »Und deswegen bist du ans andere Ende der Welt gezogen? Was sagt Dominic dazu?«
»Das ist eine längere Geschichte«, sage ich, weil ich eigentlich keine Lust habe, mir den schönen Abend von den Ereignissen der letzten Zeit verderben zu lassen. Meine Taktik, alles, was mit ihm zu tun hat, zu ignorieren, war bis jetzt sehr erfolgreich.
»Also ich habe mir den Abend für dich freigehalten.« Sam grinst.
»Na gut. Irgendwann muss ich wohl mal drüber reden.« Ich versuche, innerlich Abstand von dem Moment zu gewinnen, in dem mein Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Seit meiner Ankunft hier habe ich alles, was in Rosedale vorgefallen ist, erfolgreich von mir weggeschoben. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich jetzt darüber rede. Welche Schleusen sich öffnen. Ich will sicher nicht in der Öffentlichkeit anfangen zu heulen. Ich stelle mir vor, dass gar nicht ich es bin, der das passiert ist, sondern eine andere Tamsin. Eine vergangene Tamsin, die es nicht mehr gibt.
Ich räuspere mich und straffe die Schultern. »Dominic hat mich betrogen«, sage ich mit fester Stimme und versuche, Sam nicht anzusehen. »Mit unserer Maklerin. In unserer neuen Wohnung.«
»Was?«, ruft Sam ungläubig. »In eurer Wohnung? Das hätte ich nicht einmal Dominic zugetraut.«
Dominic und Sam konnten sich nie leiden. Sie sind wohl zu verschieden. Dominic hielt Sam für einen Träumer, der sich keine Gedanken über die Zukunft macht und seine besten Jahre an ein Thema verschwendet, das ihm nie Geld einbringen wird. Und Sam fand immer, dass Dominic ein langweiliger Streber war, der nichts als Karriere im Kopf hatte.
»Ja, und das Schlimmste an der Sache war, dass ich sie erwischt habe. Ich wollte das Wohnzimmer noch mal ausmessen. Aber als ich die Wohnung aufgeschlossen habe, hörte ich ein lautes Stöhnen durch die leeren Räume hallen. Es ist wir
klich erstaunlich, wie laut Menschen sind, wenn ihre Geräusche nicht von Möbeln absorbiert werden. Vor allem beim Sex«, sage ich bitter. Ich merke, wie Tränen in meinen Augen brennen, aber ich nehme einen Schluck Wein und schlucke den Kloß in meinem Hals damit hinunter.
»Suzie, die ach so professionelle Suzie, deren Kostüme immer perfekt sitzen, deren Blusen immer gebügelt sind, hat mich zuerst gesehen. Sie hat einen spitzen Schrei von sich gegeben, hat Dominic von ihrem winzigen Hintern weggestoßen und in Windeseile ihren Rock wieder nach unten gezogen.« Die Erinnerung an das Bild ist höllisch schmerzhaft. Es gibt auch Bilder meiner Kopfkamera, die ich gerne wieder vergessen würde. Aber die hässlichen bleiben leider auch, selbst ohne »Klick«.
»Und Dominic?«, fragt Sam leise.
»Der stand einfach nur da und hat ›Fuck, fuck, fuck‹ gemurmelt. Und natürlich gefaselt, dass es ihm leidtut.«
»Das ist ja unglaublich!«, sagt Sam. »Wie in einem schlechten Hollywood-Film. Haben sie gesagt, es sei nicht das, wonach es aussähe?« Bei den letzten Worten höre ich ein leichtes Glucksen in seiner Stimme. Ich schaue ihn an, und die Sorge in seinem Gesicht ist einem schelmischen Grinsen gewichen. Es tut mir gut, das zu sehen, und ich fange auch an zu kichern.
»Die waren viel zu überrascht, um wirklich etwas sagen zu können«, erwidere ich. »Und Dominic hat seine Hose nicht gleich hochziehen können. Irgendwie hatte sich sein Gürtel verhakt. Er ist fast umgefallen beim Versuch, mir hinterherzulaufen.«
Jetzt können wir nicht mehr. Wir prusten laut los, und ich halte mir den Bauch, weil ich so lachen muss, dass es fast wehtut. Dieses Lachen ist Balsam für meine Seele. Ich brauche das Erlebnis, das mir im ersten Moment den Boden unter den Füßen weggezogen hat, nicht mehr ernst zu nehmen. Ich kann es verspotten. Und damit alle Beteiligten.
Als wir uns wieder einigermaßen beruhigt haben, sagt Sam: »Na, jedenfalls ein Glück, dass du diesen Vollpfosten los bist. Und wie hast du so schnell eine Wohnung bekommen?«
Ich blicke verschämt auf die Tischdecke, weil ich mir denken kann, wie Sam auf meine unkonventionelle Wohnungssuche reagiert. »Ich habe über eine Webseite ein kleines Apartment gemietet.«
Zu meiner Erleichterung lacht er. »Da trifft es sich wohl gut, dass du so genügsam bist. Und mein Glück ist es, dass du jetzt hier bist.« Bei diesen Worten erhebt er sein Glas, und wir stoßen an. Auf unsere Freundschaft und meinen Neuanfang in Pearley.
6 Rhys
Mittwochnachmittag ist Tamsin die erste neue Kundin meiner Schicht. Sie hat eine Tasche umgehängt, die aussieht, als würde sie gleich platzen. Sie lässt sie vor dem Tresen von ihrer Schulter auf den Boden plumpsen und stöhnt auf.
»Puh! Magst du mal meine Tasche hochheben?«, fragt sie.
Warum sollte ich das wollen?
Also sage ich: »Warum sollte ich das wollen?« Das war vermutlich falsch, denn sie verdreht ihre großen Kulleraugen und stöhnt. Ich ärgere mich über mich selbst. Ich hätte ihre bescheuerte Tasche einfach hochheben sollen.
»Bist du gekommen, um einen Kaffee zu trinken, oder willst du, dass ich dir deinen Kram hinterhertrage?«
»Ja, ja, schon gut. Ich brauche Kaffee«, sagt sie und klingt wieder ganz versöhnlich.
Sie setzt sich an einen Tisch, lässt aber, wie mir auffällt, ihre Tasche einfach vor dem Tresen stehen.
»Äh«, setze ich an und zeige auf die Tasche.
»Keine Chance«, sagt sie. »Keine zehn Pferde kriegen mich dazu, die noch mal hochzuheben.«
Ich zucke mit den Schultern und bringe ihr ihren Kaffee. Als Nächstes hole ich die Tasche und stelle sie auf den Stuhl neben ihr. So schwer ist sie nun auch wieder nicht, aber ich sage nichts. Außerdem gibt ihr blumiges Hippiekleid mit Spaghettiträgern den Blick auf einen roten Striemen frei, der ihre Haut dort ziert, wo die Tasche hing.
Sie schaut auf und lächelt. »Danke!«
Ich gehe zurück hinter meinen Tresen. Dort fühle ich mich am wohlsten. Die Interaktion mit Gästen fällt mir nach wie vor schwer, und hier habe ich immerhin einen Schutzwall um mich. Da das Café bis auf Tamsin und vereinzelte andere Gäste leer ist, kommt es mir aber dann doch seltsam vor, einfach nur herumzustehen.
Ich schlucke und sage: »Also sag schon, was trägst du da mit dir herum?«
»Büüüücher«, erwidert sie und zieht das »ü« übertrieben in die Länge. »Die stehen auf meiner Leseliste für die Uni. Ich habe sie alle aus der Bibliothek ausgeliehen.« Sie beginnt, ihre Tasche auszupacken, und stapelt ein Buch nach dem anderen auf ihren Tisch. Als sie zehn Wälzer aufeinandergelegt hat, dreht sie sich um und sieht mich an. »Können wir hier nicht ein Regal an die Wand hängen? Dann könnte ich einfach herkommen zum Lesen.«
Was sagt sie da? Ich glaube nicht, dass ich das entscheiden kann. Außerdem wäre die Gefahr zu groß, dass andere Gäste die Bücher mitnehmen.
»Keine Sorge, das war ein Wi-hitz«, sagt sie, und ich fühle mich ziemlich bescheuert. Natürlich war es ein Witz.
»Ja, weiß ich schon«, sage ich patzig, frage mich aber gleichzeitig, ob es nicht wirklich eine schöne Sache wäre, ein paar Bücher ins Café zu stellen. Ich habe im PJP viel mit Holz gearbeitet. Billige Produktion unter dem Deckmantel einer »Ausbildung«. Aber wenn ich ein paar Bretter hätte, könnte ich sicher etwas bauen.
In diesem Moment geht die Tür auf, und Amy kommt herein. Ich stöhne innerlich auf. Nicht, weil ich sie nicht leiden kann. Ich will nur vermeiden, dass Gäste etwas von meiner Vergangenheit mitbekommen. Ich habe Angst, dass dann keiner mehr kommt, Malcolm mich rauswirft und ich meinen Plan vergessen kann.
»Hi, Rhys«, begrüßt mich Amy und strahlt mich an, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt, als mich zu sehen. Mir fallen eine Million Dinge ein, die schöner sind. Ein Schlag in die Fresse, Waterboarding, Zigarettenstummel auf der Haut. »Na? Wie geht’s dir?«
Ich sehe, wie Tamsin neugierig aufblickt. Als sie merkt, dass es mir auffällt, vertieft sie sich schnell wieder in ein Buch.
»Alles okay«, sage ich. Ich habe Amy nichts zu erzählen.
»Wie ist die Arbeit?«, fragt sie weiter.
Ich kann nicht glauben, dass sie das wirklich durchzieht. Hier in der Öffentlichkeit, vor Gästen!
»Läuft«, antworte ich. »Wir haben eine neue Stammkundin.« Bei diesen Worten nicke ich zu Tamsin hinüber.
»Hi«, sagt die und winkt Amy zu. »Rhys hat es noch nicht geschafft, mich zu vergraulen.«
Ich verdrehe die Augen. Haben Amy und Tamsin sich gegen mich verschworen? Ist das ein Wettbewerb, wer mich blöder aussehen lassen kann?
»Ja, wir haben uns überlegt, ob wir nicht ein Regal an die Wand hängen könnten. Für Bücher«, sage ich und hoffe, dass Tamsin dadurch besänftigt wird und es gleichzeitig etwas ist, das Amy hören möchte. Pläne machen und so. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
»Das ist eine tolle Idee«, sagt Amy und haut vor Begeisterung mit der flachen Hand auf den Tresen. »Du solltest unbedingt Malcolm fragen.«
Tamsin sieht mich an und lächelt verschwörerisch. Und ich … lächle zurück. Halt! Was war das? Habe ich wirklich gerade gelächelt? Ich berühre unwillkürlich mit der Hand meinen Mundwinkel. Gott sei Dank fällt es niemandem auf. Ich drehe mich um und probiere es noch mal. Mundwinkel nach oben. Aber jetzt fühlt es sich wieder falsch an, irgendwie gequält. Vermutlich habe ich es mir nur eingebildet.
»Weswegen ich eigentlich gekommen bin«, fängt Amy wieder an. »Ich habe dir doch von meinem Bekannten erzählt, der gebrauchte Computer verkauft. Na ja, er hat einen relativ alten und langsamen Laptop reingekriegt, der aber ansonsten einwandfrei funktioniert. Er würde ihn dir bis Ende des Monats reservieren, wenn du Interesse hast. Hundert Dollar, sagt er, weil er mich kennt.«
Wow! Das sind tolle Neuigkeiten. Endlich geht mal etwas voran.
»Auf jeden Fall!«, rufe ich mehr, als dass ich es sage. Ich bin ganz aufgeregt. »Sobald ich meinen ersten Lohn gekriegt habe, hat er das Geld.«
»Dachte ich mir doch, dass ich dir damit eine Freude mache. Also dann, ich muss auch schon weiter.« Mit diesen Worten dreht sie sich um und verlässt das Café.
/> »Eine Freundin von dir?«, fragt Tamsin.
»Na ja, eine Freundin nicht direkt«, sage ich.
»Aber du willst echt ein Regal bauen?« War ja klar, dass sie jetzt darauf herumreitet. Vielleicht war es doch nicht so schlau von mir, das Thema vor Amy anzubringen.
»Mal sehen. Warum nicht?«
»Das wäre cool. Ein Literaturcafé!«, schwärmt sie und strahlt. »Ich würde sofort meine Wohnung kündigen und hier einziehen.«
Das war bestimmt wieder ein Witz und ich versuche, nicht erschrocken auszusehen.
»Aber wer war denn nun die Frau? Ist ja ziemlich hübsch«, fragt Tamsin weiter.
»Nur Amy«, sage ich.
»Und wer ist ›nur Amy‹?«
Wieso lässt sie nicht locker? Sie schaut mich aufmerksam an.
»Eine Bekannte, die mir einen billigen Laptop besorgt.«
»Und sich nach deinem Wohlbefinden erkundigt«, fügt sie hinzu. »Steht sie auf dich?«
»Seit wann sprechen wir über solche Dinge?«, frage ich, denn die Unterhaltung ist mir inzwischen nicht mehr nur unangenehm, sie geht mir richtig auf die Nerven.
»Oh, entschuldige. Ich bin einfach neugierig. Ich kenne noch nicht so viele Leute hier«, sagt sie und wird rot.
Es gefällt mir, dass sie sich geniert. Geschieht ihr recht. Man mischt sich nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein. Erst recht nicht in meine.
Sie steckt ihre Nase wieder in das Buch und ich sehe, wie sie ihre Lippen bewegt. Offensichtlich hat sie wieder eine Stelle gefunden, die sie sich vorlesen will. Es fällt mir schwer, den Blick von ihr abzuwenden. Ist es ihr Gesicht? Ihre Versunkenheit? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass sie eine seltsam hypnotisierende Wirkung auf mich hat.
7 Tamsin
Das Studium ist einfach großartig. Ich liebe es, von Vorlesungssaal zu Seminarraum zu tingeln. Während der ersten Tage ist es noch ein bisschen verwirrend, da ich sowohl Kurse im alten Hauptgebäude als auch in den moderneren Nebengebäuden habe. Aber es dauert nicht lange, und ich habe den Dreh mit den Raumkürzeln raus.